Die Yamas und Niyamas von Patanjalis Yogas-System

Die Yamas und Niyamas von Patanjalis Yoga-System

Eine detaillierte tiefsinnige Ausarbeitung von Drs. Frans Langenkamp, Selbstverwirklichung und Vedische Astrologie im Licht des Vedanta, website: www.selfrealisation.net, email: franslangenkampt-online.de

 

Weisheit bedeutet gelebtes Wissen, angewandtes Wissen! Also können wir Weisheit auf sehr praktische Weise definieren. In der vedischen Weisheitstradition präsentiert der große Seher Patanjali ein äußerst systematisches und praktisches Weisheitssystem: den "Ashtanga Yoga - die acht Glieder des Yoga". Darin beschreibt er, wie wir das Leben durch Einhaltung bestimmter universeller Naturgesetze von Leiden erlösen können. 


Als Ursache des menschlichen Leidens beschreibt Patanjali die Übertretung von zehn universalen Naturgesetzen
. Diese zehn Naturgesetze sind formuliert worden in den ersten zwei der acht Glieder seines Yoga-Systems. Diese ersten zwei Glieder heißen YAMA und NIYAMA und jeder dieser beiden formuliert fünf universelle ethische Prinzipien. Patanjali definiert diese als universelle ethische Gesetze, die für alle Menschen zu jeder Zeit und unter allen Umständen gelten.

 

Wenn unser Denken, Sprechen und Handeln in Übereinstimmung mit diesen Gesetzen ist, erleben wir Glück, Frieden, Harmonie, Wachstum, Wohlstand und Leidensfreiheit. Wenn wir diese Gesetze in unserem Denken, Sprechen und Handeln ignorieren und verletzen, erleben wir Frustration, Schmerz, Leiden, Probleme, Konflikte und Streit. Die Yamas und die Niyamas geben an, woran wir uns halten sollten, um "Yoga" oder Ganzheit des Lebens zu erfahren. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Yamas und Niyamas keinen neuen Satz von zehn Geboten darstellen, sondern praktische und universelle Kriterien anbieten - eine Art objektiver Maßstab - an dem wir unsere subjektive Entwicklung, unsere geistige Gesundheit und unsere geistige Erwachsenheit abmessen können.

 

Mit Hilfe dieser Messlatte können wir nicht nur unsere eigene Bewusstseinsebene objektiv beurteilen, sondern auch die anderer. Wenn unser Verhalten nicht den Gesetzen der fünf Yamas und der fünf Niyamas entspricht, sagt Patanjali voraus, dass wir Rückschläge, Enttäuschungen, Leiden und Probleme erleben werden. Wenn wir immer mehr nach diesen universellen Gesetzen handeln, sagt er, dass wir immer mehr Zufriedenheit, Glück, Freiheit, Wohlstand, Gesundheit und Erfüllung erfahren werden. Die fünf Yamas beziehen sich darauf, WIE wir mit unserer Umwelt und der Welt als Ganzes interagieren. Die fünf Niyamas beziehen sich darauf, WIE wir uns selbst behandeln. Kurz gesagt, es geht um Weltmanagement (Yama) und Selbstmanagement (Niyama).

 

Ohne sie als Gebote zu betrachten, können wir sie als universelle Richtlinien, als eine Orientierung für unser Verhalten benutzen. Jeder Mensch und jedes Lebewesen möchte letztendlich Frieden, Glück, Freiheit, Wohlstand, Gesundheit und Erfüllung erfahren. Die Yamas und die Niyamas geben uns objektive Maßstäbe für das menschliche Verhalten, welches von der Natur gefordert wird, wollen wir diese wünschenswerte Situation erreichen. Sie geben uns die Kriterien, anhand derer wir ablesen können, wie weise, wie geistig gesund und inwieweit wir den Zustand der geistigen Reife erreicht haben. Weisheit als solche ist ein Bewusstseinszustand. Wie wird innere Weisheit als Eigenschaft unserer Perönlichkeit sichtbar in der Außenwelt? Die fünf Yamas und fünf Niyamas zeigen es an. Sie sind die zehn Merkmale der Weisheit, die zehn Merkmale der geistigen Gesundheit und der geistigen Erwachsenheit. 


Im Folgenden werden wir sie besprechen, um zu sehen, wie weise oder wie unweise die Menschheit derzeit funktioniert. Und falls wir feststellen sollten, dass es der Menschheit an Weisheit fehlt, können die Yamas und Niyamas als eine Art Leitfaden dienen, der uns zur Lösung der Probleme führt, mit denen wir bisher konfrontiert werden. Sie zeichnen die wahre Ursache unserer Probleme auf und sie geben an, in welche Richtung sich unser Verhalten entwickeln sollte, wollen wir frei von Problemen, Streit und Leiden werden. Sie verkörpern die Merkmale geistiger Gesundheit und geistiger Erwachsenheit. Sie gelten für alle Menschen, in allen Ländern zu allen Zeiten. (Ihre Sanskrit-Namen werden in Klammern wiedergegeben.)

 

Die fünf YAMAS sind:
1. Wahrhaftigkeit (Satyam)
2. Gewaltlosigkeit (Ahimsa)
3. Nicht stehlen (Asteya)
4. Freisein von Habgier (Aparigraha)
5. Leben in der Ganzheit (Brahmacharya)

Inwieweit erfüllt das Verhalten der Menschheit diese fünf Kriterien? Es ist ziemlich schockierend zu sehen, dass wir Menschen bei diesen Standards nicht sehr gut abschneiden. Die fünf Yamas sind ethische Naturgesetze. Die obigen fünf subjektiven Eigenschaften haben sehr konkrete objektive Auswirkungen, wenn wir sie in unser Bewusstsein integriren. Ethische Gesetze sind letztendlich die wichtigsten Gesetze, die die Menschheit entdecken muss. Die fünf Yamas verkörpern die folgende universelle Weisheit, die als die Essenz ALLER Weisheit bezeichnet werden kann: Behandle einen anderen so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Wenn wir dieser einfachen Regel folgen würden, würde sich die gesamte Gesellschaft verändern. So groß ist die Kraft ethischer Gesetze!

 

Die fünf YAMAS

1. Wahrhaftigkeit. In diesem Bereich müssen wir feststellen, dass es auf der ganzen Welt Verwirrung darüber gibt, was Wahrheit überhaupt ist ... Die Ansicht wird weltweit vertreten, dass es keine endgültige Wahrheit gibt und dass jeder seine eigene Wahrheit hat ... Dies zeigt, dass die Menschen im Allgemeinen kein Auge für das haben, was ist. Die Wirklichkeit wird nicht so gesehen, so wie sie ist. Die Menschen sind nicht im Nirvana, würde Buddha sagen. Sie entwickeln ihren persönlichen Standpunkt und ihre Meinung zu diesem und jenem und das wird dann ihre "Wahrheit" genannt ... aber sie kommen nicht zu dem, was wirklich wahr ist, zu dem, was wirklich ist ... Sie ehren die "Doxa" und vernachlässigen die "Aleteya" würde Planton sagen. Sie vertreten ihre persönliche Meinung und ignorieren oft die objektive Wahrheit. Dabei wird der Wahrheit - die Sicht auf die Wirklichkeit - oft Gewalt angetan. Die Wahrheit - die angemessene Beschreibung der Realität - wird manipuliert und hinter Rauchgardinen versteckt ... Nur eine kleine Auswahl der Wahrheit - der Wirklichkeit - wird zu einem bestimmten Thema erwähnt.


Doch Patanjali lässt uns wissen, dass es eine universelle Gesetzmäßigkeit ist, dass Leiden verursacht wird und dass Probleme auftreten werden, wenn wir die Wahrheit ignorieren, verzerren oder verbergen
... Ein wesentliches Thema über das wir nachdenken müssen, wollen wir die wahre Ursache des Leidens der Menschheit überhaupt kennen lernen? Nur dann können wir hoffen, das Leiden in der Welt zu reduzieren und zu minimieren. Wir Menschen leben automatisch mehr nach der Wahrheit, insofern wir persönlich die Essenz der Wirklichkeit - das Sein oder reines Bewusstsein - erfahren haben. Das Sanskrit-Wort Satyam bezieht sich auf das absolute Sein, auf das was sich NIE ändert, auf das, was WIRKLICH ist. Es bezieht sich auf den Sat-Aspekt unseres Atmas, den absoluten Aspekt unseres wahren Selbst. In dem Maße, in dem wir uns bewusst auf dieser absoluten Ebene der Realität festigen, wird unser Denken, Sprechen und Handeln automatisch wahrhaftig, wahrheitsliebend und wahrheitsgetreu. Dann erfahren wir das universale Prinzip, dass die Wahrheit in der Tat frei macht. Also: in dem Maße, in dem wir gefestigt werden in unserem wahren Selbst, sehen wir die Wirklichkeit so, WIE sie IST und erfahren wir die innerliche Freude und Freiheit, die zusammen hängen mit einem wahrhaftigen Leben.

 

2. Gewaltfreiheit. Wenn wir uns die Weltnachrichten ansehen, sehen wir, dass die Menschheit auch in diesem Bereich nicht sehr gut abschneidet ... immer mehr Geld wird für militärische Zwecke ausgegeben. Aber die Gewalt in der Welt richtet sich nicht nur gegen unsere Mitmenschen; die Tierwelt und die Pflanzenwelt sind auch einer unbeschreiblichen Menge an Gewalt ausgesetzt. Unser gesamtes Lebensumfeld wird verletzt, weil wir es mit Abgasen, Industrieabfällen usw. vergiften. Hier haben wir also eine zweite Erklärung für das Leiden und für die Probleme gefunden, mit denen die Menschheit konfrontiert wird. Als Menschen handeln wir spontan gewaltfrei in dem Maße, in dem wir persönlich die glückselige, friedliche und gewaltfreie Essenz der Wirklichkeit erlebt haben - das Sein. Ein Lichtblick in diesem Bereich ist, dass die Nachfrage an Nachhaltigkeit steigt ... Indem wir an einer nachhaltigen Produktion arbeiten und auf den Schutz des Weltklimas achten, üben wir weniger Gewalt gegeneinander und gegen die Umwelt aus.

 

3. Nicht stehlen. Hoppla, ich fürchte, hier haben wir eine weitere Ursache für das Leiden in der Welt gefunden. Es ist immer noch so, dass die reichen Länder die ärmeren Länder ausbeuten. Ein Licktblick hier ist, dass in der Kolonialzeit direkt gestohlen wurde, während es jetzt mehr um Ausbeutung geht ... Nur zwei Prozent des Welthandels werden als "fairer Handel" bezeichnet. Der Löwenanteil des Welthandels ist also mehr oder weniger unfair. Ist nicht jede Form von "unfairem Handel" eine Form der Ausbeutung? Ist Ausbeutung nicht eine Form des Diebstahls? Als Menschen beginnen wir automatisch uns ehrlich zu verhalten, nicht zu stehlen und nicht auszubeuten, sobald wir Erfüllung in der Erfahrung des selbstgenügsamen glückseligen Seins an der Quelle unseres Denkens gefunden haben.

 

4. Freisein von Habgier. Bingo ... eine weitere Ursache für das Elend in der Welt. Die gesamte Weltwirtschaft, einschließlich des Börsensystems basiert weitgehend auf Habgier. Im Allgemeinen kann man sagen, dass man automatisch habgierig ist, solange man der materialistischen Weltanschauung anhängt (und das tut man solange man den allgemeinen Wachzustand noch nicht vertieft und expandiert hat mit einer absoluten Seins-Erfahrung). Es wird angenommen, dass Glück in Geld, Eigentum und Status zu finden ist und deshalb wird so viel Mühe darauf verwendet, diese weltlichen Dinge zu erwerben. Ich habe oft gedacht, dass das ganze Problem der Welt auf Habgier beruht, ein weiteres ethisches Thema, über das wir nachdenken sollten. Wenn wir tiefgehend verstehen, dass Hagbier für das Leiden von Menschen, Tieren und Pflanzen verantwortlich ist, bedeutet dies, dass wir schon ein bestimmtes Ausmaß an geistiger Gesundheit und geistiger Erwachsenheit erreicht haben. Als Menschen hören wir spontan auf hagbierig zu sein, wenn wir in den "Besitz" der glückseligen und erfüllenden Essenz der materiellen "Wirklichkeit gelangen - des Seins, das auch unsere Essenz ist, das reine Bewusstsein, unser wahres Selbst.

 

5. Leben in der Ganzheit. Wieder müssen wir zu dem Schluss kommen, dass es auf der Welt einen Mangel daran gibt. Wieder haben wir eine Ursache für das menschliche Leiden erkannt, wenn nicht sogar die Hauptursache. Das Leben in der Ganzheit - leben mit einer ganzheitlichen Sicht auf die Wirklichkeit - ist eine Art Elefantenfußabdruck, in den die oben genannten vier Fußabdrücke leicht hineinpassen. Solange wir kein Auge für die Ganzheit des Lebens haben, so lange sind wir nicht geistig gesund und schon gar nicht geistig erwachsen und wir verletzen unwillkürlich uns selbst, unsere Mitmenschen und unser gesamtes Lebensumfeld. Deshalb sagte Buddha, dass ein Mensch alles tun muss, um das Nirvana (reines unbegrenztes Bewusstsein) zu erreichen.

 

Solange wir uns noch im üblichen Alltagbewusstsein befinden, identifizieren wir uns mit unserem Ego, statt mit unserem wahren Selbst. Dann nehmen wir automatisch eine egozentrische Position ein. Wir konzentrieren uns dann darauf, unsere individuellen Interessen zu erfüllen, ohne uns ausreichen in die Lage anderer zu versetzen. Die Beschäftigung mit egozentrischen Wünschen und Interessen macht uns kurzsichtig und unempfindlich gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen anderer. Solange wir nicht spontan an das Wohlergehen aller Beteiligten - und der gesamten Menschheit - denken, bleiben wir per Definition egoistisch oder gefangen in einer "Fight oder Flight" Funktionsweise. Früher oder später wird uns dies aus dem Gleichgewicht bringen und zu Stress, Frust oder sogar Burn Out führen.

Erreichen wir durch tägliche Besinnung auf unsere Essenz - zum Beispiel durch Meditation - eine ganzheitliche Sicht auf die Wirklichkeit so kommen wir spontan zu einer "Stay and Play" Funktionsweise. Dies ist ein Zeichen geistiger Gesundheit. Hier haben wir also ein mächtiges Kriterium in der Hand, mit dem wir das Leiden der Menschheit erklären können und an dem wir den unterentwickelten Zustand der Menschheit objektiv messen können. Nur der Zustand der geistigen Gesundheit (kosmisches Bewusstsein) macht uns entspannt, ehrlich, fair, gewaltfrei, friedlich, glücklich, freundlich und in solch einem Bewusstseinszustand werden wir automatisch ein Faktor in der Welt, der das Leid und die Probleme reduzieren kann. Dieses fünfte Yama zeigt, dass das Fehlen eines ganzheitlichen Bewusstseins die tiefste Ursache menschlichen Leidens ist. Das Leben auf Erden ist dafür gemeint, dass wir unser Bewusstsein erheben, es erweitern, damit wir die Ganzheit des Lebens einsehen können; damit wir die Einheit erfahren können, die der unendlichen Vielfalt zugrunde liegt.

Die Einheit und die Ganzheit des Lebens können in der Stille unseres Bewusstseins, an der Quelle unserer Gedanken erfahren werden. Da sind wir wirklich ganz, dort sind wir heil und werden wir geheilt. Indem wir unsere Aufmerksamkeit täglich auf unsere Essenz richten, festigen wir uns zunehmend im einfachen Zustand der Ganzheit. Dann werden wir spontan mehr nach den universellen Naturgesetzen leben. Die fünf Yamas geben an, was die Natur - Mutter Natur - von ihren Kindern verlangt. Die Yamas geben uns eine Orientierung, die uns die Richtung nach Glück, Freiheit, Gesundheit und Wohlstand zeigt. Mutter Natur lässt uns vollkommen frei - wir können absolut machen was wir wollen - nur sollten wir wissen, dass jeder Gedanke, jedes Wort und jede Handlung bestimmte Resultate produzieren! Die Gesetze der Natur wirken mit mathematischer Präzision. Die ganze Wirklichkeit funktioniert nach dem Prinzip der Mühelosigkeit. Wenn wir Menschen lernen, aus der inneren Stille der inneren Ganzheit, zu funktionieren, können wir mit weniger Anstrengung, weniger Stress, weniger Streit, weniger Leiden, weniger Krankheit und weniger Enttäuschung mehr erreichen. Wir tun weniger und wir erreichen mehr! Wenn wir unser Leben danach ausrichten, geistig gesund und geistig erwachsen zu werden und wenn wir die Absicht hegen und pflegen subjektiv zu wachsen und unsere innere Entwicklung zur Priorität zu machen, werden wir automatisch bei allen fünf Yamas höher punkten!

 

 

 

 

Die fünf NIYAMAS

Die fünf Niyamas beziehen sich darauf, wie wir mit unserer eigenen Persönlichkeit und unserem eigenen Funktionieren umgehen. Je gesünder wir geistig sind und je mehr geistig erwachsen wir werden, desto mehr wird unser Verhalten spontan von den fünf Niyamas geprägt. Sie sind die universellen ethischen Gesetze der Selbstverwaltung. Die Niyamas beziehen sich also auf unsere subjektive Entwicklung. Aber unsere subjektive Entwicklung hat gigantische, unvorstellbar große und vorteilhafte Auswirkungen auf die objektive Welt. Alles, was ein Mensch ist, hängt davon ab, wie sein Geist funktioniert. Die fünf Niyamas verkörpern die universelle Weisheit, die Mahatma Gandhi so kurz und knapp ausdrückte: Sei du selbst die Veränderung, die du in der Welt bewirken willst.


Die fünf NIYAMAS sind:
1. Reinheit (Saucha)
2. Zufriedenheit (Shantosha)
3. Selbstdisziplin (Tapas)
4. Selbststudium (Svadhyaya)
5. Hingabe an das Göttliche (Ishvara Pranidhana)

 

1. Reinheit. Wenn wir die geschriebene Geschichte der Menschheit betrachten, sehen wir eine allmähliche Zunahme der Reinheit. Besonders auf der äußeren Ebene. Die sanitären Einrichtungen haben sich in vielen Teilen der Welt verbessert. Louise Hay sprach gern vom „modernen Wunder, genannt Badezimmer“. Aber der Begriff Saucha (Reinheit) bezieht sich mehr auf innere als auf äußere Reinheit. Inwieweit sind wir mit uns selbst im Reinen? Haben wir ein reines Gewissen? Sind unsere Absichten rein? Der größte Grad an Reinheit kann auf der Ebene des reinen Bewusstseins gefunden werden. Das Bewusstsein als solches zeichnet sich durch absolute Reinheit aus. Indem wir uns auf die Erfahrung des reinen Bewusstseins richten – unser wahres Selbst an der Quelle der Gedanken – können wir sicher sein, dass sowohl unsere innere als auch unsere äußere Reinheit auf eine höhere Ebene erhoben werden. Unser äußeres Leben ist Ausdruck unseres inneren Entwicklungszustands. Wir müssen die Verschmutzung des Lebensumfelds in der Welt als direkte und unvermeidliche Folge eines Mangels an innerer Reinheit verstehen. Indem wir an unserer inneren Reinheit arbeiten, werden wir automatisch Methoden und Wege finden, um die äußere Verschmutzung zu reduzieren. Die äußere Reinheit spiegelt die innere Reinheit wider.


2. Zufriedenheit. Auch hier müssen wir erkennen, dass wahre Zufriedenheit von innen kommt. Frieden ist neben Reinheit auch eine Qualität des Bewusstseins als solches. Sobald wir nur einen „Glimmer“ unseres wahres Selbst aufgefangen haben, erleben wir großen Frieden, Zufriedenheit und Befriedigung. Patanjali sagt in einem seiner Yoga Sutras (2.42): „Wenn wir in Zufriedenheit gefestigt sind, werden wir vollkommen glücklich.“ Das universelle Gesetz der Zufriedenheit lädt uns ständig ein, unser wahres, absolut zufriedenes Selbst kennenzulernen. Reines Bewusstsein wird als ein Ozean von innerem Frieden erfahren. Tief in uns finden wir „the peace that is beyond understanding.“ – „den Frieden, der jenseits unseres Verständnisses liegt“, wie Jesus es ausdrückte. Durch das Erleben dieses Friedens wird unser Verhalten automatisch friedlich. Wenn wir die Unzufriedenheit in der Welt verschwinden lassen wollen, müssen wir in erster Linie sicherstellen, dass wir uns selbst in einem friedlichen Bewusstseinszustand befinden. Der Wald ist grün, weil alle Bäume grün sind. Indem wir uns mit dem absoluten und ewigen Frieden verbinden, der in uns wohnt, erzeugen wir Wellen des Friedens im kollektiven Bewusstsein der Menschheit. Wir müssen Konflikte und Streit, die sich auf der äußeren Ebene manifestieren, verstehen als direkte und unvermeidliche Folgen innerer Konflikte und Unzufriedenheit, mit denen die meisten Menschen ringen. Diese Tatsache wurde von C. G. Jung als das primäre psychologische Prinzip bezeichnet. Sobald wir mehr inneren Frieden erfahren – zum Beispiel durch Meditation – wird unser Denken, Sprechen und Handeln automatisch friedlicher. Deshalb sagen die Weisen: Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg.


3. Selbstdisziplin. Der Sanskrit-Begriff „Tapas“ bezieht sich darauf, die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken. Tapas steht für den freiwilligen Verzicht auf bestimmte (unnötige, ungesunde) Sinnesgenüsse. Dann „tun wir Tapas“, heißt es in den vedischen Wissenschaften. Dann disziplinieren wir unser Seele-Geist-Körper-System. Von Natur aus ist unser System etwas wild, unkultiviert, unruhig und richtet sich spontan auf Objekte in der Außenwelt. Die Sinne lenken unsere Aufmerksamkeit fast ständig nach außen. Aber wie du weißt, ist dort das Glück und die Erfüllung die wir suchen nicht zu finden. Nur wenn wir unsere Aufmerksamkeit nach innen lenken – indem wir Tapas tun – können wir den inneren Frieden, die innere Freiheit und die wahre Lebensfreude erfahren. Tapas ist daher ein zentrales Konzept der vedischen Weisheit. Es wird oft mit Meditation gleichgesetzt. Indem wir unsere Aufmerksamkeit regelmäßig nach innen lenken – indem wir täglich Tapas praktizieren – wird unser Seele-Geist-Körper-System integrierter und zufriedener. Unsere Persönlichkeit wird immer mehr mit unserer Seele und unserem wahren Selbst verbunden.


Auf diese Weise lernen wir in der Arena unzähliger sinnlicher Verlockungen Maß zu halten. Andernfalls, ohne die notwendigen Tapas zu tun, verlieren wir uns in der materiellen Welt. Genau das sehen wir passieren auf der ganzen Welt. Der gängige Wachzustand hat die Menschheit bisher fast vollständig in seinem Griff. Daher hat die Menschheit sich von ihrem wahren Selbst entfremdet und ist daher in vielerlei Hinsicht unzufrieden und unglücklich. Ohne die notwendige Selbstdisziplin zu entwickeln – und die königliche Art dies zu tun ist tägliche Meditation – verlieren wir uns selbst, wir lösen uns von Gott, sagen die Religiösen unter uns. Dann werden wir unvernünftig, verzweifelt und frustriert ... Auch hier sehen wir, dass ein befriedigendes Leben auf der äußeren Ebene nur durch eine innere, subjektive Entwicklung erreicht werden kann. Auf direkte Weise können die Sinne kaum beherrscht werden. Die Geschichte hat dies hinreichend bewiesen. Nur durch eine innere Transformation – durch die Erfahrung der Erfüllung, die dem reinen Bewusstsein innewohnt – können die wilden Pferde unserer Sinne gezähmt werden. Auf diese Weise schaffen wir Harmonie und Frieden in der Welt.


4. Selbststudie. Jedes Lebewesen strebt danach, glücklich zu sein. Die meisten Menschen haben jedoch noch nicht entdeckt, dass es dafür notwendig ist, unser Seele-Geist-Körper-System ständig zu reinigen, zu entwickeln und zu verbessern. Wir sind nicht auf Erden, um „einfach drauf los zu leben“. Das Leben auf der Erde gibt uns die Möglichkeit, integrierte Menschen – geistig erwachsene Menschen – zu werden. Wie Aristoteles schon sagte: „Der Mensch ist entweder ein Gott oder ein Tier. Bestenfalls ist der Mensch das edelste aller Tiere; losgelöst von Recht und Gerechtigkeit ist er das Schlimmste aller Tiere.“ Alles hängt von unserer inneren Entwicklung ab, ja von unserer ethischen Entwicklung. Wenn wir unser bestes Potenzial in unserem Verhalten manifestieren wollen, müssen wir unser Denken, Fühlen, Sprechen und Handeln ständig verfeinern. Mensch sein bedeutet, dass wir uns kontinuierlich weiterentwickeln sollten. Leider hat die Menschheit dieses kosmische Gesetz noch nicht wirklich für sich entdeckt. Der Durchschnittsmensch hat es sich noch nicht zur Gewohnheit gemacht, sein eigenes Funktionieren zu observieren, zu überprüfen und ständig zu verbessern. Dies war jedoch der Kern der Lehre von Sokrates:Gnothi Seauton“ – „Mensch erkenne dich Selbst“. Tatsächlich empfiehlt jede Weisheitstradition es, dass wir uns selbst, und schließlich unser wahres Selbst kennenlernen.


Indem wir uns unser wahres Selbst allmählich kennenlernen – und uns spontan damit identifizieren – werden wir zum neutralen, friedlichen, liebevollen und weisen Beobachter unserer gesamten Persönlichkeit. Aus dem Bewusstsein des inneren Friedens und der inneren Weisheit heraus können wir unser Funktionieren immer wieder verbessern, wenn die Umstände Anlass dazu geben. Nach einer Weile wird es ein automatischer Mechanismus, und Teil unserer Natur. Wachstum, Entwicklung und Verbesserung liegen in der Natur des Lebens. Wir werden stärker in den kosmischen Prozess der Evolution involviert, wenn wir unsere Persönlichkeit auf allen Ebenen beobachten, untersuchen und dabei die Absicht haben uns immer mehr zu verbessern. Erinnerst du dich an den Edlen Achtfachen Pfad, den Buddha lehrte? Erinnerst du dich an die acht Glieder der Ganzheit des Lebens, die Patanjali lehrte? Diese Weisheitssysteme sind Ausdruck der natürlichen Tendenz des Lebens, sich selbst zu hinterfragen und sich dadurch zu verbessern. Lass uns mit diesem kosmischen Fluss mitfließen!


5. Hingabe an das Göttliche. Solange eine Welle auf dem Ozean seine Aufmerksamkeit nicht nach innen lenkt, identifiziert sie sich vollständig mit ihrer Form und Funktion ... Sie erkennt nicht, wie sehr sie vom grenzenlosen Ozean getragen wird. Sie kennt ihre Essenz nicht. Sie weiß nicht, woher sie kommt, und sie weiß auch nicht, was passieren wird, wenn ihre Kräfte abnehmen und sie immer kleiner wird. Bei uns Menschen ist es genauso. Wenn wir nicht wissen, dass wir im Wesentlichen göttlich sind, kennen wir unsere wahre Natur nicht, und wissen nicht wer oder was wir wirklich sind. Wir wissen nicht, woher wir kommen oder wohin wir gehen. Wir identifizieren uns voll und ganz mit unserer relativen und vergänglichen Persönlichkeit … Das ist letztendlich sehr unbefriedigend und frustrierend.


Um unser volles Potenzial in der Welt manifestieren zu können, wird uns empfohlen unsere Aufmerksamkeit in regelmäßigen Abständen nach innen zu lenken und unsere Essenz an der Quelle unserer Gedanken kennenzulernen. Dort werden wir uns bewusst, dass wir im Wesentlichen göttlich sind! Die Erfahrung unserer göttlichen Essenz ist so erfüllend und befriedigend, dass wir uns spontan an sie hingeben wollen. Was passiert genau, wenn wir die innere Stille kennenlernen? Unser Ego lernt seinen Ursprung und seine Essenz kennen! Wir sehen ein, dass wir als Ego-Persönlichkeit Ausdruck des absoluten, universellen, göttliches bewussten Sein sind!


Wir sehen ein, dass alle Kraft, alle Intelligenz und alle Kreativität, über die wir verfügen, vom göttlichen bewussten Sein herkommt. Dann wird das Ego erfüllt von Demut und Dankbarkeit. Sobald das Ego das wahre Selbst erblickt, gibt es sich dem Selbst hin, das sein göttlicher Ursprung und seine Essenz ist. So geben wir uns als Ego unserem wahren Selbst hin, das unser göttliches, kreatives und intelligentes Wesen ist. Auf dieser Weise werden wir als Persönlichkeit mit dem Göttlichen in uns erfüllt. Das macht uns geistig gesund und geistig erwachsen ... dazu ist nichts anderes in der Lage. Dieser fünfte Niyama drückt die Natur und den Zweck jeder wahren Religion aus. Jede wahre Religion (Religare bedeutet: zurück verbinden) möchte uns wieder mit unserer göttlichen Essenz verbinden. In der Yoga-Philosophie wird dabei klargestellt, dass Gott nicht etwas/jemand ist, das/der außerhalb von uns existiert, sondern in uns selbst als unsere wahre Natur gefunden werden kann! Indem wir dies täglich erkennen und bestätigen, werden wir nicht nur weise, sondern auch liebevoll. Wir erkennen, dass wir im Wesentlichen ‚nichts Besonderes‘, sondern ‚alles Universelles‘ sind. Wir sehen ein, dass alle Menschen Kinder Gottes sind. Wir sehen ein, dass Tiere und Pflanzen auch Gottes Kinder sind. Diese Einsicht gehört zu einem wahren Menschen, zu einer Person, die geistig gesund und geistig erwachsen ist. Dann werden wir wie die weise und liebevolle Welle, die erkannt hat, dass alle anderen Wellen auch Ausdruck des einen grenzenlosen göttlichen Ozeans sind.


Dieses fünfte Niyama ist tatsächlich das innere Äquivalent des fünften Yama, das Lebens in der Ganzheit. Durch die innere Hingabe an das Göttliche, bewegen wir uns auch auf der äußeren Ebene in der Ganzheit. Schließlich haben wir erfahren, dass das Göttliche allgegenwärtig ist und der Ursprung und das Wesen von allem und jedem ist. Wir wissen, dass wir alle Kinder Gottes sind. Wir wissen, dass wir alle im selben Boot sitzen und dass wir nicht vollständig glücklich sein können, bis unsere Mitmenschen und alle anderen Lebewesen glücklich sind.

Solch einen Zustand von Harmonie und Erfüllung zu erreichen, ist der eingebaute und natürliche Zweck des kosmischen Evolutionsprozesses, seit Anbeginn der Zeit. Indem wir dies wissen, und wir mit dieser kosmischen Absicht zusammenarbeiten, erfahren wir zunehmende Wellen von Freude, die aus unserer göttlichen Essenz aufsteigen. Wir kommen mit unserem Selbst ins Reine, wir fühlen uns innerlich zufrieden, wir können unter allen Umständen besser Maß halten, wir lernen unser wahres Selbst kennen, und können unsere Persönlichkeit jeden Tag verbessern und heilen. Wir lernen uns hinzugeben an unsere göttlichen und glückselige Natur. Mit anderen Worten: Indem wir das innere Wachstum erfahren, kommt unser Verhalten mehr und mehr in Übereinstimmung mit den fünf Niyamas. Das ist der äußere Beweis dafür, dass wir mit unserem inneren Selbst mehr eins geworden sind. Indem wir unser wahres und göttliches Selbst kennenlernen, werden wir automatisch (atma-matisch) integrierte Menschen, die sich selbstständig verwalten können, und die die Welt in das verwandeln können, was sie im Grunde genommen bereits ist, und für das sie von der kosmischen Intelligenz seit jeher vorbestimmt ist: ein Paradies auf Erden.


Es ist ja genau so wie der irische Essayist George Bernard Shaw einmal sagte: „God has given us a world that nothing but our own folly keeps from being a paradise.“„Gott hat uns eine Welt gegeben, die nur durch unsere eigene Torheit davon abgehalten wird, ein Paradies zu sein.“


Das Bewusstwerden unseres eigenen Bewusstseins, bringt automatisch mit sich, dass wir unsere göttliche Essenz kennenlernen. Früher oder später werden wir uns also daran gewöhnen müssen, im Wesentlichen göttlich zu sein. Dann erzielen wir auf den Maßstäben der fünf Yamas und der fünf Niyamas spontan bessere Ergebnisse, und die Welt wird zu einem äußerst angenehmen Ort.


© Drs. Frans Langenkamp www.selfrealisation.net